Abstract
Die industrielle Nutzung der Meere hat in der letzten Dekade, insbesondere durch die Nutzung regenerativer Energiequellen auf See in Form von Offshore-Windparks (OWP), rasant zugenommen. Dieser Trend wird sich auch über die nächsten Jahre bzw. Jahrzehnte fortsetzen. Durch den Betrieb von OWPs werden nicht nur Schalleinträge durch die in Betrieb befindlichen Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) ins Wasser eingebracht, sondern auch betriebsbedingter Schiffsverkehr für Wartungs- und Reparaturzwecke (Serviceverkehr) stellt eine weitere, zusätzliche Lärmquelle dar. Die Laufzeit von Windparks beträgt ca. 25 Jahre, so dass nicht von der Hand zu weisen ist, dass dadurch kontinuierlich Schall (Dauerschall) über Jahrzehnte ins Wasser eingetragen wird, von dem potenziell Meide- und Störwirkungen für die Meeresfauna ausgehen könnte. Für die langfristig naturverträgliche Nutzung der regenerativen Energiequellen auf See ist daher auch dieser Schalleintrag ins Wasser messtechnisch zu erfassen, auszuwerten und hinsichtlich seiner ökologischen Auswirkung zu evaluieren. Auf europäischer Ebene wurde durch die EU-Arbeitsgruppe TG-NOISE das Grundkonzept für Schwellenwerte 1 im Hinblick auf den impulshaltigen und kontinuierlichen Unterwasserschall (Impuls- und Dauerschall; Kriterium D11C1/2) definiert; die Entwicklung und Abstimmung der Schwellwerte auf nationaler und regionaler Ebene ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Damit existieren derzeit keine verbindlichen Richt- oder Grenzwerte für die ökologische Beurteilung von Betriebsschall.
Im Zeitraum von 2011 bis 2022 wurden in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nord- und Ostsee 22 und in der 12-Seemeilen-Zone drei Offshore-Windparks errichtet und in Betrieb genommen. Somit befinden sich im Jahr 2023 mehr als 1.500 OffshoreWindenergieanlagen (OWEA) mit einer Gesamtleistung von über 8 GW in Betrieb. Über die nächsten Jahre wird sich diese Anzahl jedoch deutlich aufgrund der Ausbauziele für regenerative Energiequellen erhöhen (Ausbauziel für 2030 sind 30 GW). Dem Vorsorgeprinzip folgend und basierend auf den ersten Messerfahrungen aus in Betrieb befindlichen Windparks (z. B. Betke, 2003; 2004) wurden seitens der Zulassungs- und Genehmigungsbehörde Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) umfangreiche Unterwasserschallmessungen zur Evaluation der dadurch ins Wasser eingetragenen Schalleinträge angeordnet. Dabei wurden sowohl vor dem Bau (Hintergrundschall), als auch im Betrieb (Betriebsschall) der Windparks Unterwasserschallmessungen in standardisierter Form gemäß der Messvorschrift für Unterwasserschall (BSH, 2011) durchgeführt, ausgewertet und in das nationale Schallregister MarinEARS2 inkl. umfangreicher Begleitinformationen aus den Windparks, wie Anlagentyp, Leistungs- und Wetterdaten, etc. eingebunden. Im Rahmen des F&E-Vorhabens OWF Noise wurden erstmalig sämtliche verfügbaren Betriebsund Hintergrundschallmessdaten aller deutschen Offshore-Windparks aus dem MarinEARS in einer projektübergreifenden Studie zusammengefasst. Die Studie dient einer ersten vorhabenübergreifenden Beschreibung und Bewertung der wesentlichen Schallquellen während des Betriebs von Offshore Windparks in der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee. Die Ergebnisse bilden zugleich die Basis für die Beurteilung von möglichen biologischen Auswirkungen durch betriebsassoziierten Schalleinträge.
Mit der Durchführung von insgesamt 27 Betriebs- und 12 Hintergrundschallmessungen in 24 Windparks mit 16 verschiedenen OWEA-Typen von sieben verschiedenen Herstellern und Nennleistungen zwischen 2,3 und 8,0 MW, gegründet auf fünf unterschiedlichen Fundamentstrukturen, drei Messpositionen pro Windpark und in drei definierten Betriebszuständen der Anlagen stellt die Messdatenbasis aus dem MarinEARS derzeit die weltweit größte Datenbasis dar.